01.10.2014 Fachbeitrag
Artikel: "Vergaberecht - Zuschlag neu geregelt" (DATEV Magazin 10/2014)
In diesem Jahr ist das neue Vergaberecht der Europäischen Union in Kraft getreten.
Die Vergabe muss nicht mehr nach dem niedrigsten Preis erfolgen.
Bekannt wurde die Neuordnung des Vergaberechts durch die kontrovers diskutierte Zwangsprivatisierung der Trinkwasserversorgung. Zwar ist diese aufgrund des breiten Protests insbesondere aus Deutschland nicht in das neue Vergaberecht der Europäischen Union (EU) eingegangen. Sie hat jedoch die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit auf dieses nicht alltägliche Rechtsgebiet gerichtet, das den Einkauf von Gütern und Dienstleistungen durch die öffentliche Hand regelt. Drei Richtlinien verpflichten den Bundesgesetzgeber, diese bis April 2016 in nationales Recht umzusetzen.
Das Vergaberecht mit seinen Neuerungen sollten die Vertreter der steuer- und rechtsberatenden Berufe allein schon deshalb kennen, da dieses bei der Vergabe von Aufträgen an Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zu beachten ist. Darüber hinaus ist das Rechtsgebiet in der Beratungspraxis von ungeahnt weiter Bedeutung, da der Anwendungsbereich des EU-Vergaberechts deutlich über die Beschaffung von Bau- und Lieferleistungen durch öffentliche Gebietskörperschaften hinausgeht. Das Vergaberecht gilt auch für die sogenannten Sektorenauftraggeber, die im Bereich der Trinkwasserversorgung, Energieversorgung oder des Verkehrs tätig sind – und zwar unabhängig davon, ob die öffentliche Hand an den Unternehmen beteiligt ist. Eigen- und Beteiligungsgesellschaften der öffentlichen Hand müssen das Vergaberecht ebenso beachten wie gewerbliche Subventionsempfänger, die häufig erst im Rahmen der Mittelverwendungsprüfung die unangenehmen Folgen eines Verstoßes gegen Vergaberecht erkennen. Bei Verstößen gegen das Vergaberecht drohen die Vertrags-Nichtigkeit sowie der Verlust von Fördermitteln. Hinzu kommt, dass EU-weit ein Beschaffungsvolumen von etwa 425 Milliarden Euro (3,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts der EU) dem EU-Vergaberecht unterfällt. Auch bei wirtschaftlicher Betrachtung handelt es sich somit um keine Marginalie.
Neben dem Preis können künftig die Qualität, Umwelt- oder Sozialaspekte, Innovation und Lebenszykluskosten bei einer Beschaffung berücksichtigt werden. Allerdings bleibt es weiterhin möglich, den niedrigsten Preis als alleiniges Zuschlagskriterium zu wählen. Der häufig von Beschaffer- und Anbieterseite geäußerten Kritik, dass Vergaben stets an den Bieter mit dem niedrigsten Preis erfolgen, ungeachtet der Qualität des Angebots, wurde somit Rechnung getragen.
Künftig können die Auftraggeber leichter ein Verhandlungsverfahren statt förmlicher Vergabeverfahren wählen. Auch der wettbewerbliche Dialog wurde vereinfacht. Der Umfang der von den Bietern mit der Bewerbung vorzulegenden Nachweise wurde deutlich reduziert: Nur der Bieter, der den Zuschlag erhält, muss sämtliche Nachweise beibringen. Für die Beteiligung an einer Ausschreibung genügt künftig eine ehrenwörtliche Erklärung, dass die Teilnahmebedingungen erfüllt werden. Die neuen Verfahrensregeln lassen eine deutliche Reduzierung des Verwaltungsaufwands für Auslober und Bieter erwarten.
Im Falle von Interessenkonflikten sind die Betroffenen vom Verfahren auszuschließen. Wann dies der Fall ist, regelt die Richtlinie explizit, um Vetternwirtschaft zu vermeiden. Wer als Bieter versucht, einen öffentlichen Auftraggeber zu beeinflussen, oder falsche Erklärungen abgibt, läuft Gefahr, vom Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden. Zudem müssen alle Angebote ausgeschlossen werden, deren außergewöhnlich niedriger Preis auf Verstöße gegen Sozial-, Arbeits- oder Umweltschutzbestimmungen zurückzuführen ist.
Die vollständig elektronische Durchführung von Vergabeverfahren, die bislang nur optional war, wird ab spätestens Oktober 2018 als grundsätzlich verbindlich vorgeschrieben. Die Innovationspartnerschaft ergänzt die bestehenden Vergabearten. Sie ist an das Verhandlungsverfahren angelehnt und für Forschungs- und Entwicklungsaufträge konzipiert. Auftraggeber sollen sowohl die Entwicklung als auch den anschließenden Kauf eines neuen, innovativen Produkts in einem Vergabeverfahren durchführen können.
Bei einer Konzession erhält das beauftragte Unternehmen neben oder anstelle einer Vergütung das befristete Recht zur Nutzung beziehungsweise Verwertung der ihm übertragenen Leistungen. Der Konzessionär übernimmt damit wesentliche Risiken (beispielsweise Lkw-Maut auf Autobahnen). Solche Konzessionsvergaben werden nun erstmalig umfassend kodifiziert. Daher erfordern jetzt auch Dienstleistungskonzessionen wettbewerbliche Vergabeverfahren.
Die Änderungen sind hinsichtlich ihrer Zielsetzungen zu begrüßen. Ob tatsächlich die Rechtssicherheit für Unternehmen und öffentliche Auftraggeber erhöht und der Beteiligungsaufwand bei Ausschreibungen reduziert wird, bleibt abzuwarten. Kritisch, weil manipulations- und streitanfällig, zu sehen sind die Regelungen zur Berücksichtigung strategischer Beschaffungsaspekte. Erfreulich ist die Kodifikation des Konzessionsvergaberechts, die der immer häufiger anzutreffenden Aufgaben- und Risikoverteilung zwischen Auftraggeber und Privatwirtschaft in Form von zeitlich befristeten Kooperationsmodellen Rechnung trägt.
Autor: Arnd Bühner
Quelle: DATEV Magazin, Ausgabe 10/2014